Wirtspeters

Mein eigener Familienzweig wird im Erbstädter Volksmund als „Wirtspeters“ bezeichnet. Damit verbunden sind offensichtlich ein paar bestimmte Charaktereigenschaften, unter anderem ein besonderer Hang zur Geselligkeit. Bei meinem Bruder Marcus heißt es immer, „das ist ein richtiger Wirtspeter“. Bei mir tun sich die Leute wohl etwas schwerer, diese Eigenschaften zu entdecken.

Bis zu meinem Vater einschließlich waren wohl alle Männer Bauern, teilweise noch mit einem zusätzlichen weiteren Beruf.

Der Namensgründer war der Wirt (Johann) Peter, geboren 1777. Er hatte laut den Aufzeichnungen meines Opas Karl in seinen jungen Jahren eine Gastwirtschaft (offensichtlich über dem Kuhstall) gegründet, diese aber bereits vor 1800 wieder aufgegeben. Sollte das alles stimmen, so hat eine sehr kurze Epoche doch einen nachhaltigen Effekt (nämlich die Namensgebung „Wirtspeters“) hinterlassen. Vielleicht wurde die Gastwirtschaft aber ja auch schon von Johann Peter´s Vater Johannes geführt, der wohl im Nebenberuf Leinweber und eben Gastwirt war. Der Tanzsaal von Peter´s Gastwirtschaft wurde später als Heuboden genutzt. Mein Opa beschreibt in seinen Aufzeichnungen noch den besonders glatten Tanzboden und das Blumenwandmuster. An diese Details kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber die Scheune kenne ich noch aus meiner frühen Kindheit.

Peter´s Ehefrau Katharina Sybilla war übrigens auch eine geborene Störkel. Ihren Vater Michael kann ich leider nicht zuordnen, da ich für ihn keinen Taufeintrag gefunden habe. Vielleicht stammt er ja auch der Linie des nach Bönstadt ausgewanderten Adam. Es kam ansonsten sehr selten vor, daß „Störkels“ im Dorf untereinander geheiratet haben, ich habe lediglich noch zwei weitere Beispiele gefunden. Aber dass ein Dorf halt doch eine überschaubare Gemeinschaft ist, zeigt sich an meiner Oma Magdalene, einer geborenen Seib. Sie hat in ihren Vorfahren auch Störkels, sowohl welche aus der "Johannes-Linie" als auch aus der "Peter-Linie".

Der Wirtspeter und seine Frau Sybilla hatten neun Kinder, von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten. Der jüngste Sohn, Philipp Karl (*1816) ist mein direkter Vorfahr. Interessanterweise entschliesst sich sein älterer Bruder Daniel (*1804) im Jahr 1837 zur Ausreise nach Amerika. Eigentlich hätte ich gedacht, daß dieser aufgrund der Erbfolge den Hof übernommen hätte. Er wird dabei begleitet von drei Schwestern. Es gibt ein Dokument, in dem der Antrag Daniel´s auf Ausreise und deren Bewilligung beschrieben wird. Darin steht die Aussage Daniel´s, daß bereits eine seiner Schwestern in Amerika lebe. Damit sind wohl insgesamt fünf von Peter´s Kindern ausgewandert.

In Erbstadt führten Philipp Karl, dessen Sohn Jacob Karl und sein Enkel Wilhelm Otto die Landwirtschaft weiter. Auch Hermann, ein anderer Sohn von Jacob Karl, wurde Landwirt (Familie Weitzel in der Untergasse/Wetterauer Straße) und die Tochter Margaretha heiratete einen Landwirt aus Rossdorf. Wilhelm Otto hatte einen Sohn Karl, mein Opa. Er führte ebenfalls die Landwirtschaft weiter. Er ist leider früh gestorben, der 2. Weltkrieg hatte ihm mächtig zugesetzt. Lange gelebt haben aber zum Glück die Frau von Wilhelm Otto, meine Ur-Oma „Gretchen“ (mit der ich als kleiner Junge mächtig Spaß hatte) und Karls Frau Magdalene (geborene Seib), die in meinen und meines Bruders Augen wohl beste Oma der Welt. Die Schwester meines Vaters, meine Tante Hedi hat Heinrich Martin geheiratet und lebt in Kaichen.

Mein Vater Gerhard hat sich Anfang der 1960 Jahre entschieden, die Landwirtschaft aufzugeben und wurde Architekt. Diese Entscheidung haben mein Bruder und ich nachträglich sehr geschätzt und wir fühlen uns in unseren nicht-bäuerlichen Berufen sehr wohl.

 

 

Mein Opa schreibt in seinen Aufzeichnungen, daß unser Hof bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert auf dem heutigen Standort (Hauptstraße 12, früher Vorstadt 8 und davor wohl einfach „Nummer 41“) existiert. Als Quelle beruft er sich auf den Pfarrer Kastendyck und dessen Nachforschungen in den Kirchenbüchern im Jahr 1925. Dafür spricht, daß unser Hof direkt neben der Kirche liegt, die sich „schon immer“ dort befindet. Gegen die Vermutung, daß unser Hof schon das Anwesen der ersten Störkels war, könnte sprechen, daß die heutige Hauptstraße erst nach 1800 bebaut wurde und vorher sich dort der Dorf-Schutzwall befunden hat. Zumindest die heutige Einfahrt auf unser Grundstück kann so also nicht gelegen haben. Unser Haus ist nur teilweise unterkellert. Dieser Keller ist nur von aussen begehbar und auch deutlich kleiner als der Grundriss des Hauses. Wahrscheinlich ist dieser Keller noch Teil des Originalhauses und unser Hof hatte seine Anbindung an das Dorf einfach in eine andere Richtung (irgendwo zwischen „Wachthäuschen“ und Kirche).